Auch 2017 habe ich mir vorgenommen, wieder regelmäßig ein Buch zu verschlingen. Das Ziel war, ein Buch pro Monat. Am Ende waren es insgesamt 16 Bücher, auch wenn ich eigentlich nur 6 davon selbst gelesen habe. Die restlichen Bücher habe ich mir als Hörbuch vorlesen lassen. An dieser Art des »Lesens« habe ich schnell Gefallen gefunden, da ich in meinem Alltag nun viel häufiger ein Buch genießen kann.
Gelesen:
»Der Distelfink« (★★★★☆) von Donna Tartt ist ein ziemlich dicker Schmöker. Erzählt wird die Geschichte von Theo Decker, der sich nach dem Verlust seiner Mutter in einer Abwärtsspirale befindet und dabei versucht, sein großes Geheimnis zu bewahren. Die Geschichte fesselt für viele Stunden. Störend sind jedoch die streckenweise episch breiten Ausführungen von Nichtigkeiten. Man hätte die Geschichte auch auf der Hälfte Papier erzählen können, ohne an Spannung einzubüßen.
Im Buch »Eine Frage der Zeit« (★★★★★) erzählt Alex Capus die aberwitzige Geschichte des deutschen Dampfschiffes »Götzen«. Das Schiff wird 1913 in Deutschland in seine Einzelteile zerlegt und – in 5.000 Kisten verpackt – nach Deutsch-Ostafrika verschickt, um auf dem Tanganikasee zum Einsatz zu kommen. Zur gleichen Zeit lässt England zwei Kriegsschiffe mit dem Zug quer durch Afrika zum Tanganikasee transportieren, um dort einen deutschen Dampfer zu versenken. Beide Missionen steuern auf das unvermeidliche Finale zu. Das Buch ist ein echter Leckerbissen, der auf historischen Tatsachen basiert. Hervorragend recherchiert und mit viel Witz und Ironie geschrieben.
In seinem Buch »Der goldene Handschuh« (★★★★☆) erzählt Heinz Strunk die wahre Geschichte von Fritz Honka. Er erlangte 1976 als Frauenmörder in Hamburg schaurige Berühmtheit. Seine Opfer nahm er aus der Hamburger Kneipe »Zum Goldenen Handschuh« mit. In klaren Worten schildert der Roman das Oben und Unten der Hamburger Gesellschaft der siebziger Jahre, und taugt somit fast zur Milieustudie. Stellenweise eklig, aber dennoch sehr fesselnd.
»Rechnung über meine Dukaten« (★★★★★) von Thomas Meyer ist ein vor Sprachwitz strotzender historischer Roman. Er handelt vom preußischen König Friedrich Wilhelm I., der Unsummen für seine Leibgarde aus lauter riesigen Männern ausgibt, die er zwangsrekrutieren oder gar entführen lässt. So landet auch der sächsische Bauer Gerlach bei den »langen Kerls« und wird zum Liebling des Königs. Während Gerlach fieberhaft überlegt, wie er von der Truppe flüchten könnte, hat König Wilhelm ganz andere Probleme. Die Kosten für seine »langen Kerrels« wachsen ihm über den Kopf. Der Roman ist nicht nur erstklassig recherchiert, sondern auch im Stil und Duktus der damaligen Zeit geschrieben. Ein äußerst amüsantes Lesevergnügen.
Die Komödie »Die Physiker« (★★★☆☆) von Friedrich Dürrenmatt ist ein echter Klassiker. Die Komödie thematisiert, welche verheerenden Folgen Wissenschaft haben kann. Das Buch ist leicht zu lesen und zaubert tatsächlich den einen oder anderen Schmunzler auf die Lippen. Ich würde es aber eher nicht als Komödie bezeichnen. Vielleicht funktioniert der Humor als Theaterstück besser.
Der hochgelobte Roman »Unterleuten« (★☆☆☆☆) von Juli Zeh hat mir ehrlich gesagt nicht gefallen. Die Handlung ist extrem platt und phasenweise viel zu schnell vorhersehbar. Bevor die Handlung dann ins vollkommen Triviale abgleitet, kommt eine groteske Wendung. Die Charaktere sind bis ins Klischee überzeichnet. Und dann auch noch diese unendliche Langatmigkeit sowie die aufgesetzte und viel zu gewollte Sprachwahl. Nicht mein Fall!
Gehört:
»Sophia, der Tod und ich« (★★★★★) von Thees Uhlmann ist echt echtes Meisterwerk über die wirklich wichtigen Fragen des Lebens. Obwohl der Tod ein Tabuthema ist und sich niemand gern damit auseinandersetzt, ist er im Roman ein wahrer Kumpel und überaus sympathisch. Ein äußerst sprachgewaltiges Buch, das der Autor selbst mit einer enormen Leichtigkeit, jeder Menge Witz, Ironie und Humor als Hörbuch einspricht. Dieses Buch muss man durchsuchten!
Der Roman »Was man von hier aus sehen kann« (★★★★★) von Mariana Leky ist das Porträt eines Dorfes, in dem alles auf wundersame Weise zusammenhängt. Es ist unheimlich unterhaltsam, märchenhaft schön und hat einen sehr feinen Humor. Sandra Hüller liest den Roman sehr einfühlsam. Man kann sich über ihre wundervolle Stimme förmlich in das Geschehen reinfühlen.
»Tyll« (★★★★★) von Daniel Kehlmann spielt in der düsteren Zeit des Dreißigjährigen Krieges, der im 17. Jahrhundert ganz Mitteleuropa in Flammen gesetzt hat. In diese Zeit platziert Kehlmann Tyll Ulenspiegel – seines Zeichens Vagant und Schausteller, Entertainer und Provokateur aus dem 14. Jahrhundert. Durch ihn erlebt und erfährt man die dunkle Epoche auf eine ganz neue Weise. Tyll begegnet Gelehrten, Ärzten, Henkern und Jongleuren und einem exilierten Königspaar. Ihre Schicksale verbinden sich zu einem Zeitgewebe, zum Epos vom Dreißigjährigen Krieg. Und um wen sollte es sich entfalten, wenn nicht um Tyll, jenen rätselhaften Gaukler, der eines Tages beschließt, niemals zu sterben. Ein vom großartigen Ulrich Noethen gesprochenes, ganz wundervolles Hörbuch.
Der Roman »Tschick« (★★★★★) von Wolfgang Herrndorf handelt von den 14-jährigen Jugendlichen Maik und Tschick (eigentlich Andrej) die in den Sommerferien mit einem geklauten Lada durch die ostdeutsche Provinz fahren und allerhand Abenteuer erleben. Ein sehr liebenswertes, spannendes und humorvolles Hörbuch für zwischendurch.
»Baba Dunjas letzte Liebe« (★★★★★) von Alina Bronsky ist ein Roman über eine Tschernobyl-Heimkehrerin, die mit wenigen Gleichgesinnten versucht ihr altes Leben in ihren leerstehenden Häusern wieder aufzunehmen. Ein beschwerliches Leben und eine zerbrechliche Gemeinschaft, die voller Humor beschrieben wird und eine tiefe Nachdenklichkeit zurücklässt. Ein sehr guter Roman und ein sehr hörenswertes Hörbuch, mit viel Atmosphäre, jeder Menge Poesie, voller Herz und Witz.
»Der Pfau« (★★★★☆) von Isabel Bogdan ist eine Komödie um einen verrückt gewordenen Pfau bzw. besser gesagt seiner Leiche in den schottischen Highlands. Ein kurzweiliges, aber dennoch sehr unterhaltsames Hörbuch, das von Christoph Maria Herbst mit viel Witz und Charme gelesen wird.
Der Roman »Die Vermessung der Welt« (★★☆☆☆) von Daniel Kehlmann handelt vom Leben der beiden Wissenschaftler und Forscher Alexander vom Humboldt und Prof. Carl Friedrich Gauß, welche Kehlmann im Verlauf seines Romans gekonnt miteinander verwebt. Der Roman ist nicht biografisch, bietet aber dennoch einen interessanten Blick auf die beiden großen deutschen Forscher. Leider fehlt dem Buch etwas Spannung und eine gewisse Stringenz in der Storyline.
»Totenfang« (★★★☆☆) von Simon Beckett ist der 5. Teil einer Kriminalreihe um den forensischen Anthropologen David Hunter. Der Roman spielt in den Backwaters, einem abgelegenen Mündungsgebiet in Essex. Der Roman weist eine durchaus spannende Geschichte auf. Ab einer gewissen Stelle wird der weitere Ablauf aber irgendwie vorhersehbar. Trotzdem ein Hörbuch, das man gut anhören kann.
»Ich. Darf. Nicht. Schlafen.« (★★★☆☆) von Steve Watson ist die Romanvorlage zum gleichnamigen Film mit Nicole Kidman. Die Spannung des Psychothrillers baut sich langsam auf und wird auch bis zum Ende gehalten. Teil der Geschichte und damit stilistisches Mittel sind die permanenten Wiederholungen, die das Buch phasenweise etwas langatmig machen. Der Plot der Geschichte ist gut gelungen, wenn auch manche Wendung etwas zu sehr konstruiert wirkt.
Ein absoluter Flop war »Zwetschgendatschikomplott« (★☆☆☆☆) von Rita Falk. Seichte Unterhaltung mit bayrischen Lokalkolorit. Spannung kommt im Grunde nie auf. Einzig die Stimme von Christian Tramitz macht es einigermaßen unterhaltsam und verhindert ein frühzeitiges Abschalten.